Ironische Prozesse

Dass selbst auf höchster Ebene bisweilen noch erstaunliche Wissensdefizite hinsichtlich grundlegender psychologischer Mechanismen vorherrschen, zeigt folgendes Beispiel:

Josè Mourinho ist spitze, aber das war psychologisch gesehen: ein Anfängerfehler.
Bei diesem Phänomen handelt es sich um einen sogenannten ironischen oder paradoxen Prozess.
Ein Objekt/Verhalten, das man in Gedanken mit zuviel psychischer Energie zu vermeiden sucht, drängt sich automatisch in den Vordergrund des Bewusstseins. Sage zu jemanden: "Denke nicht an einen rosa Elefanten!" und er wird es automatisch tun.
Jeder Bewusstseinsinhalt der mit hoher psychischer Energie - positiver wie negativer - verbunden ist wird vom Gehirn als besonders beachtenswert gespeichert. Das System meldet: Vorsicht, das ist wichtig. Er kommt quasi automatisch in den Arbeitsspeicher und wird dort nach vorne geschoben - Priorität 1. Man spricht in dem Zusammenhang auch von kognitiver Verfügbarkeit.

Will man negatives Verhalten vermeiden heißt das: Den Fokus nicht auf das zu vermeidende Verhalten richten.
Also nicht: 
Mourinho: "Mario, Bitte nicht foulen und lass den Schiri in Ruhe."
Sag ich das, wird es in einer Art negativen Rückkopplungsprozess zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Das was ich zu vermeiden suche, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren.
Es kommt bei diesem besonderen Fall noch eine zweite spielerspezifische Komponente hinzu. In puncto situatives, individuelles Spielermanagement gilt es festzustellen: Der Mann ist aufmerksamkeitssüchtig. Das hat Folgen. Modellhaft spielt sich also in den zwei Systemen: intuitives System 1 und rationales System 2 folgendes ab:
Das für einen Fußballer nicht so entscheidende, rationale System versteht zwar: "Du sollst jetzt da jetzt rausgehen und keine Katastrophe verursachen." 
Vielleicht sagt Mario noch mit einem besonders treuherzigen Gesichtsausdruck : "Ja, Chef - ich habe verstanden"
Sein dominierendes, unbewußtes, intuitives System hört aber eine ganz andere Botschaft: "Wenn du da jetzt raus gehst, schauen 70.000 Leute live zu und noch ein paar Millionen vor dem Fernseher, haust du den um, bist du morgen in jeder Sportzeitung auf Seite eins mit fetter Schlagzeile und eine Woche lang redet das ganze Land nur von dir. Ohhh, ja. Mario - tu es." Er geht raus und haut den Kerl um.
Die Lösung ist: den Fokus auf das erwünschte Verhalten richten: Mourinho müsste sagen "Mario konzentriere dich auf deine Aufgabe, Laufwege erkennen und in der Vorwärtsbewegung anspielbar sein." 
 Im optimalen Fall wird er also so sehr damit beschäftigt seine Aufgaben zu erfüllen, dass er dabei ganz vergisst jemanden umzuhauen, um im Mittelpunkt zu stehen und danach in seinem camouflage-farbenen Bentley nach Hause zu fahren, in seinem champagnergefüllten Whirlpool mit drei besonders blonden tschechischen Fotomodellen im whirlpool zu chillen und danach sein Schlafzimmer anzünden. Soweit die gängige klischeehafte Stereotypisierung. Vorsicht- es handelt sich hier nur um ein zielgruppenspezifisches, aufmerksamkeitssteigerndes, humoristisches Stilmittel. Quasi anschlußfähige Kommunikation für das Fußballermilieu. In der Übertreibung liegt halt die Anschaulichkeit. In Wahrheit ist der Mario ganz anders, nämlich ein netter und kultivierter Mensch.
Die wirkliche Wahrheit auf dem Platz ist aber:
Aufmerksamkeitssüchtige Spieler gefährden das gemeinsame Projekt. Sie müssen aussortiert werden, es sei denn sie heißen Ibrahimonic.
Für alle anderen gilt:
Läuft es schlecht - nicht zuviel nachdenken. Negativen Erlebnissen nicht zuviel Aufmerksamkeit schenken. Bei Fehlern - nicht nachtarocken. Neue positive Bewußtseininhalte drüberlegen.
Wie hat schon Oli Kahn immer gesagt, Scheiß egal:


"Immer weitermachen! Immer weiter! Immer weiter!"

...und Recht hat er!
Nicht zurückschauen.
Bissig bleiben!

Samuel Beckett
drückt es noch etwas schöner aus:
"Stets versucht, stets versagt. 
Egal. Versuch es nochmal. Versage nochmal. Versage besser!"

Einfach? - Nein! 
Was hilft?
Das:
»Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.«
Albert Camus 

Ja, das ist anstrengend.
Also:
Lass es dir nicht anmerken.
"Was heißt Cool? Früher meinten wir damit jemand, der sich selbst und die Dinge im Griff hatte und dabei ganz entspannt wirkte."
Tony Bennett

Denn im Fußball geht es immer um Selbstkontrolle.
Es geht darum seine Emotionen im Griff zu haben:
"Wer zuerst Gefühle zeigt,
verliert."
Paul Dauer

Deswegen das Mitspieler-Anbrüll-und-Kritisier-Verbot.
Es lebe die entwicklungsfördernde Atmosphäre!
Das lernende System lernt immer weiter.

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